75 Jahre Pogromnacht - Bewegende Momente
Bericht wurde von Bernhard Busmann sowie das
Bild und das Notenblatt wurde uns von Winfried Biermann zur Verfügung gestellt!
Der Quartettverein Bocholt wurde gebeten, zum Gedenken an die Pogromnacht vor 75 Jahren an einer von der „Bühne Pepperoni Bocholt“ organisierten 2 1/2 stündigen Veranstaltung mitzuwirken, einmal als Chor mit dem Lied „Die Moorsoldaten“ und durch Winfried Biermann als Solist mit dem Lied: „Ein Lied geht um die Welt“. Der Quartettverein war dankbar dafür, mit dieser Teilnahme all diejenigen zu unterstützen, die sich gegen die Wiederkehr von willkürlicher Gewalt gegen Minderheiten in unserer Gesellschaft wenden. Aus diesem Grunde wollen wir auch in unserer Homepage an die Pogromnacht und an die schreckliche Zeit davor und danach erinnern, indem wir versuchen, den Bezug der beiden von Quartettvereinssängern gesungenen Lieder zu der damaligen Zeit herzustellen. Der Tenor Winfried Biermann während seines Vortrages des Liedes „Ein Lied geht um die Welt“ Begleitet wurde er von Henning Neidhardt am Piano.
Foto: li. Winfried Biermann (Tenor), re. Henning Neidhardt (Piano)
Die beiden und andere bei der Gedenkfeier in Bocholt vorgetragenen Lieder „Moorsoldaten“ und „Ein Lied geht um die Welt“ haben zwar keinen direkten Bezug zur Pogromnacht vor 75 Jahren, aber zu den Nationalsozialisten, die in Deutschland mit unredlichen Mitteln die Macht ergriffen hatten – sehr zu Lasten jüdischer und anderer rechtschaffender Mitbürger. 75 Jahre Pogromnacht - Bewegende Momente So lautete die Titelüberschrift des Bocholter-Borkener Volksblattes zu der am Samstagnachmittag, dem 09. November 2013, vorgetragenen Beiträge von über 400 Mitwirkenden aus dem Raum Bocholt und aus Winterswijk (niederl. Nachbarstadt) zum Gedenken an die vor 75 Jahren von den Nationalsozialisten organisierten brutalen Überfälle auf jüdische Mitbürger in Deutschland. Auch in Bocholt wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 jüdische Bürger misshandelt, deren Privat- und Geschäftshäuser zerstört und deren Synagoge geschändet. Es war die Zeit der schmutzigen 30iger Jahre; die Engländer bezeichnen diese Zeit als „The Dirty Thirties“, als die Nazis in Deutschland Fremdenhass und Gewalt schürten. Christa und Klaus Hoffs (Bühne Pepperoni) war es ein inneres Bedürfnis, sich für ein besseres Miteinander, gegen Fremdenhass, Intoleranz und Faschismus, aber auch für die Hoffnung auf ein Nie-wieder einzusetzen. Sie suchten und fanden viele Mitstreiter, denen es ebenfalls ein inneres Bedürfnis ist, gegen jegliche Art der Diskriminierung Zeichen zu setzen. Während der unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft stattgefundenen Gedenkfeier trugen Solisten sowie kleinere und größere Musikgruppen aller Altersschichten ihre Beiträge vor. Wörter und Musik, ob Gesang oder Instrumentalmusik, nahmen einen Bezug auf die damalige Zeit.
Historische Hintergründe zu den Liedern : 1. Die Moorsoldaten - Lagerlied von Börgermoor Das Moorsoldatenlied, Börgermoorlied oder kurz Moorlied wurde 1933 von Häftlingen des Konzentrationslagers Börgermoor bei Papenburg im Emsland geschaffen. In diesem Lager wurden vorwiegend politische Gegner des Nazi-Regimes gefangen gehalten. Mit einfachen Werkzeugen wie dem Spaten mussten diese dort das Moor kultivieren. Das Lied wurde am 27. August 1933 bei einer Veranstaltung namens Zirkus Konzentrazani von 16 Häftlingen, überwiegend ehemalige Mitglieder des Solinger Arbeitergesangvereins, aufgeführt, als sie in ihrer damals grünen Häftlingskleidung mit geschulterten Spaten in die Arena einmarschierten. Bereits bei der zweiten Strophe begannen die fast 1000 Gefangenen den Refrain mitzusummen. Bei der letzten Strophe sangen auch die SS-Leute mit. Ein Zeitzeuge: „Bei den Worten ‚… Dann ziehn die Moorsoldaten nicht mehr mit den Spaten ins Moor‘ stießen die sechzehn Sänger die Spaten in den Sand und marschierten aus der Arena, die Spaten zurücklassend, die nun, in der Moorerde steckend, als Grabkreuze wirkten.“ Zwei Tage nach der ersten Aufführung wurde das Lied von der Lagerleitung verboten. Trotzdem war es das Wachpersonal des Lagers, das wiederholt verlangte, dass das Lied von den Häftlingen auf ihren Märschen zum Arbeitsplatz gesungen wurde.
2. „Ein Lied geht um die Welt“ – gesungen von Winfried Biermann „Ein Lied geht um die Welt wurde damals u.a. von dem berühmten jüdischen Tenor Joseph Schmidt (1904-1942) gesungen. Joseph Schmidt besaß eine der schönsten lyrischen Tenorstimmen, die Mitte der 20iger / Anfang der 30iger Jahre besonders durch Rundfunkübertragungen bekannt wurde. Der Titel des Liedes war auch der Titel eines seiner Filme. Mit der Premiere dieses Filmes am 09. Mai 1933 im Berliner Ufa-Palast erreichte die Popularität des Sängers seinen Höhepunkt, obwohl ihm bereits wenige Monate davor der Zutritt zum Funkhaus verboten wurde – weil er ein Jude war. Ende 1933 floh er vor den Nationalsozialisten zunächst nach Wien, gastierte 1934 in Palästina und debütierte am 7 März 1937 als Tenor in der New Yorker Carnegie Hall. 1938 führte ihn seine Flucht vom inzwischen annektierten Österreich nach Belgien, im November 1940 nach Frankreich. Hier wurde er als Deutscher zwangsinterniert. Schmidt gelang im September 1942 nach mehreren missglückten Versuchen die Flucht in die Schweiz. Von den Strapazen geschwächt, brach Schmidt in Zürich auf offener Straße zusammen, wurde erkannt und als illegaler Flüchtling – laut einem Gesetz von 1942 galten geflohene Juden in der Schweiz nicht als politische Flüchtlinge – in das Internierungslager Girenbad „zur Abklärung des Falles“ gebracht. Schon nach kurzer Zeit erkrankte er an einer Halsentzündung und wurde in das Kantonsspital Zürich eingewiesen. Nach Heilung kam er zurück ins Lager. Der Sänger starb jedoch bald danach an der nicht behandelten Herz-Kreislauferkrankung in Zürich – zwei Tage vor der erteilten Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis.
Ein Lied geht um die Welt Songtext:
Ein Lied geht um die Welt ! Ein Lied
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