Der Chor als Instrument

INTERVIEW Dirigent Otto Groll leitet seit 40 Jahren den Quartettverein Bocholt – und führte ihn sieben Mal in Folge zum Meisterchortitel. „Dieser Chor drückt aus, was ich gestalten möchte“, sagt er im BBV-Gespräch.

BOCHOLT In diesem Jahr feiert der Dirigent Otto Groll ein ungewöhnliches Jubiläum: Seit 40 Jahren leitet der ehemalige Gymnasiallehrer den Quartettverein, der mit seiner Hilfe zu einem der bedeutendsten Männerchöre der Region aufstieg. Wir trafen ihn am Rande der Chorproben im Kolpinghaus.

Können Sie sich an den ersten Kontakt mit dem Quartettverein erinnern?

Groll Ja, ich war damals gerade Kreis chorleiter geworden, da sprach mich ein Franz Tenbrock hier aus dem Chor an. Er fragte, ob ich nicht Freude daran hätte, mit dem Quartettverein eine nähere Beziehung einzugehen. Da hatte ich allerdings im Grunde noch nichts von diesem Chor gehört.

Kein Wunder, sie wohnten schließlich auch damals schon in Dülmen. Das ist ein ganz schön weiter Weg bis Bocholt.

Groll Ja, immerhin 55 Kilometer, jede Woche hin und zurück. Wenn man das zusammenrechnet, bin ich in dieser Zeit wohl ein paar Mal um die Welt gefahren.

Wie stark hat sich der Quartettverein in den vergangenen 40 Jahren verändert?

Otto Groll Wir waren im Jahr 1967 so um die 23, 24 Sänger, also nicht besonders viele. Aber wir hatten in jeder Stimme gute Sänger, so dass der Quartettverein trotz der geringen Zahl schon damals ein qualitativ hoch stehender Chor war. Heute haben wir 58 Sänger.

Drei Konzerttermine

Der Quartettverein gibt auch in diesem Jahr wieder drei Hauptkonzerte in Bocholt. Sie finden am Samstag, 15. Dezember, um 20 Uhr, am Samstag, 22. Dezember, um 20 Uhr sowie am Sonntag, 23. Dezember, im 17 Uhr im städtischen Bühnenhaus statt. Als Solist singt der Tenor Daniel Behle , mit dem der Quartettverein bereits vor zwei Jahren zusammengearbeitet hat.

Groll Darüber denke ich immer wieder in stillen Stunden nach: Wenn ich Klavier spiele, dann habe ich ein Instrument vor mir. Ähnlich ist das bei einem Chor. Gerade der Quartettverein ist ein Klangkörper, auf dem man – in etwas anderer Weise – spielen kann wie auf einem Instrument. Das ist das Schöne an diesem Chor, dass er auf kleinste Fingerzeige reagiert und das ausdrückt, was ich gestalten möchte.

Wie wichtig ist Disziplin?

Groll Ohne Disziplin geht’s nicht. Gerade bei diesem Chor stelle ich immer wieder fest, wie aufmerksam die Sänger der Probenarbeit folgen, ohne sich ablenken zu lassen.

Wie motiviert man einen Chor über eine solch lange Zeit?

Groll Man muss einen guten Kontakt zu den Sängern haben. Sie müssen gerne zur Probe kommen und mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass sie etwas geleistet haben.

Gibt es so etwas wie Freundschaft zwischen Ihnen und den Chormitgliedern?

Groll Da müsste man überlegen: Was ist Freundschaft? Wenn man davon ausgeht, dass es wirkliche Freunde im Leben nur selten gibt, so habe ich das Glück, einige Freunde in diesem Chor gefunden zu haben.

Wie wählen Sie die Werke für die Konzerte aus?

Groll Bei der Auswahl sind, meine ich, drei Dinge wichtig. Zum einen müssen mir die Chorwerke, die wir einstudieren, zusagen. Dann müssen sie dem Chor gefallen – ich merke an den Reaktionen bei den Proben, ob das zutrifft oder nicht. Und drittens müssen sie das Publikum ansprechen. Wenn diese drei Komponenten übereinstimmen, sind wir auf der richtigen Spur.

Sind Sie Fan von Udo Jürgens?

Groll Ja, den höre ich gerne. Er hat noch mit 70 eine gute Stimme! Die Lieder, die er geschrieben hat, sind genau wie die Texte sehr ausdrucksstark.

Wie lange werden Sie den Quartettverein noch leiten?

Groll (lacht) Das ist eine wunderbare Frage! Ich möchte ihn noch 30 Jahre leiten, aber ich glaube, das wird nicht mehr gelingen. Ich bin jetzt 72, und irgendwann wird die Kraft mal nachlassen. Aber ich habe bereits ein Abkommen mit meiner Frau. Wenn sie sagt, so gehst du mir nicht mehr auf die Bühne, dann höre ich auf.

Das Interview führte BBV-Redakteur Bernd Veltmann.